Mehr Datenleitungen und höhere Übertragungsraten – Das Bordnetz der Zukunft stellt hohe Anforderungen an die Datenübertragung im Fahrzeug

Betrachtet man die Megatrends in der Automobilindustrie, wie z.B. ADAS, Autonomes Fahren oder Mobile Office, so wird deutlich, dass die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des automobilen Bordnetzes steigen. Dies wirkt sich zum einen auf die Anforderungen an die Datenraten und zum anderen auf die Anzahl der benötigten Leitungen aus, da diese die notwendigen Sensoren, Kameras, Displays sowie Zentral- und Zonenrechner miteinander verbinden müssen. Um diese Verbindungen entsprechend leistungsfähig zu gestalten, stellt sich die Frage, wie der Übertragungskanal für diese Anforderungen ausgelegt werden kann.

Vom Rechenzentrum ins Fahrzeug

Bereits heute werden in Rechenzentren Datenraten von bis zu einem 1 Tbit/s übertragen. Dies ist realisierbar, da in solchen Gebäuden ideale Bedingungen geschaffen wurden. Für die Übertragung hoher Datenraten in Fahrzeugen müssen neue, robustere Lösungen entwickelt werden, die den rauen Bedingungen dort standhalten. Dazu wurde im Automobilbereich zunächst die Ethernet-Technologie gewählt, die in modifizierter Form als Zweidrahttechnik (elektrisch über Kupfer) eingesetzt wird. Durch Optimierungen bei Chip, Stecker und Leitungen wird es in Zukunft möglich sein, bis zu 25 GBit/s zu übertragen. Daneben hat sich, wie in Rechenzentren, die optische Datenübertragung etabliert, welche zukünftig auch für automobile Anwendungen zur Verfügung stehen wird.

Die Entstehung von Standards und Spezifikationen für die Automobilindustrie

Die Datenübertragungssysteme und die entsprechenden Spezifikationen für die Automobilindustrie werden in Standardisierungsgremien in Zusammenarbeit mit den Automobilzulieferern, den Tier-Levels sowie den Chipherstellern erarbeitet. Ein bekanntes Gremium ist das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers), das sich an den Bedürfnissen der Zukunft orientiert. Die Automobilindustrie arbeitet zunehmend mit diesem Gremium zusammen, da Technologien wie z.B. Ethernet in abgewandelter Form auch im Auto zum Einsatz kommen. Im Durchschnitt vergehen vom Start der Arbeitsgruppe zum neu zu erarbeitendem Standard bis zum Produktionsstart im Feld ca. 6-8 Jahre. Eine Übersicht über die Standards nach IEEE-Gremien und den aktuellen Stand kann der folgenden Tabelle entnommen werden.

1) Quelle: Matheus/Kaindl. S.18

Hieraus erschließt sich, dass der Standard IEEE802.3ch Datenübertragung über eine Kupferleitungslösung bis zu 10 GBit/s spezifiziert hat, was einen Produktionsstart bei den Automobilherstellern ab 2026 ermöglicht. Im Unterschied zu den klassischen Ethernet-Standards wurde für den Automotive-Bereich eine Übertragung über eine Zweidrahtleitung spezifiziert. Für die Datenübertragung bis 25 GBit/s (IEEE 802.3cy) ist die Fertigstellung des Standards für Ende 2023 geplant, der geplante Produktionsstart ist jedoch noch offen. Der auf optischen Leitungen basierende Standard mit einer Datenübertragungsrate von bis zu 50 GBit/s wurde im Frühjahr 2023 verabschiedet. Die Ausarbeitung des Standards für den Physical Layer wurde in der Open Alliance Mitte des Jahres gestartet.

Anwendungen – Wofür benötige ich 25 GBit/s oder mehr?

Die großen Treiber für immer höhere Datenraten sind Videoanwendungen (Kameras, Displays) und Zonenarchitekturen. Gerade bei den Displays gibt es bereits detaillierte Visionen und konkrete Anwendungsmöglichkeiten. Die Anzahl und Auflösung von Displays und Kameras wird sich in Zukunft drastisch erhöhen. Betrachtet man nur die Displays, so könnte die Anzahl auf bis zu 6 Stück steigen. Bei autonomen Fahrzeugen könnten neben dem Fahrerdisplay, dem Mitteldisplay sowie dem Beifahrerdisplay zusätzlich mehrere Displays im Heckbereich angebracht werden, um ein Büro auf Rädern zu schaffen. Diese können ausgefahren und bei Nichtgebrauch entsprechend wieder im Dachhimmel verborgen werden. Insbesondere ein 8k Display benötigt bereits in der minimalen Auflösung eine Datenübertragung von 25 GBit/s. Sowohl 3D Displays als auch hochauflösende Head-Up Displays sind ein Thema, da diese auch flexibel programmiert werden, und als Tacho im Retrostil oder als klassisches Head-Up Display dienen können.

Darüber hinaus ist die Integration vieler Kameras für das autonome Fahren angedacht, was zusätzlich die Übertragung hoher Datenraten in Echtzeit erfordert. Wann solche Systeme in Serie gehen, ist noch nicht bekannt. Die folgende Tabelle zeigt mögliche Datenübertragungsraten in Abhängigkeit von der Displayauflösung, die auch für Kameraanwendungen (Rohdaten) genutzt werden können.

1) Quelle: Matheus/Kaindl. S.28

Basierend auf der Zonenarchitektur, die in zukünftigen Fahrzeugplattformen zur Vorbereitung des autonomen Fahrens eingesetzt werden soll, wird sich die Anzahl der Leitungen im Bordnetz bzw. im Fahrzeug aufgrund der deutlich steigenden Anzahl an Sensoren und Kameras erhöhen. Betrachtet man beispielsweise Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen, so kann die Anzahl der benötigten Sensoren auf über 100 Stück ansteigen. Aber nicht nur die Anzahl der Sensoren ist ein wichtiger Parameter, sondern auch die Echtzeitübertragung, da höhere Latenzzeiten für autonome Anwendungen nicht akzeptabel sind. Ein weiterer Fokus liegt auf der Verarbeitung von Videosignalen für Kameras und Displays, die heute in HD-Qualität verwendet, zukünftig aber mit deutlich höheren Auflösungen benötigt werden, um eine genaue Erkennung von Verkehrsteilnehmern, Hindernissen etc. zu gewährleisten. In Fachkreisen spricht man für diese Anwendungen bereits von Auflösungen bis zu 8K, was die zu übertragenden Datenraten dramatisch erhöhen wird. Je nach Bildwiederholrate steigen diese auf über 25 GBit/s.

Ein weiterer Aspekt, der mit den autonomen Fahrzeugen hinzukommt, ist, dass es möglich wird, das selbstfahrende Büro zu entwickeln und zusätzlich eine schnelle Internetanbindung über die Nutzung von 5G oder 6G realisiert werden muss. Auch das trägt dazu bei, dass sich die Datenraten insgesamt erhöhen.

Der Deutsche Bundestag hat beispielsweise mit einem entsprechenden Gesetz bereits den Weg für das autonome Fahren der Stufe 4 im Jahr 2021 geebnet. Vorreiter dieser Technologie werden vor allem die Oberklassemodelle der Automobilhersteller sein.

Technische Lösungen zur Übertragung von 25 GBit/s

Es gibt zwei Möglichkeiten, eine Datenübertragungsrate von 25 GBit/s zu übertragen, die eine über Kupferkabel, die andere über Glasfaserleitungen.

Die gängigen und verfügbaren Ethernet-Übertragungssysteme verwenden kupferbasierte Stecksysteme, die in Zukunft Daten bis zu einer Übertragungsrate von 25 GBit/s mit Hilfe eines Datenpaares (spezielle Meterware) übertragen können. Dabei gibt es verschiedene Arten von kupfergebundenen Leitungen, die Shielded Twisted Pair (STP) und die Shielded Parallel Pair (SPP). Diese beiden Leitungen unterscheiden sich in ihrem strukturellen Aufbau.

Bei der Shielded Twisted Pair Leitung ist das Adernpaar in einem bestimmten Abstand zueinander verdrillt und von einem Schirm umgeben.

Bei den Parallel Pair Meterwaren wird das Adernpaar so lange wie möglich parallel geführt. Mit diesem Aufbau ist es möglich, ein höheres Frequenzband abzudecken, um die sogenannten „Suck-out“-Effekte (Einbruch/ sprunghafter Anstieg z.B. der Einfügedämpfung bei bestimmten Frequenzen) in einen möglichst hohen Frequenzbereich zu verschieben. Gelingt dies, kann eine Übertragung von 25 GBit/s dargestellt werden. Dieser Leitungstyp befindet sich derzeit noch in der Entwicklung bei potentiellen Herstellern.

1) Quelle: Matheus/Kaindl. S.143

Neben der kupfergebundenen Meterware gibt es auch die Möglichkeit, bis zu 50 GBit/s Datenübertragungsgeschwindigkeit über ein Glasfaserkabel zu realisieren. Die Entwicklung von Transceivern sowie entsprechenden Steckverbindern und Kabeln ist derzeit in vollem Gange. Eine standardisierte Schnittstelle mit Steckverbindern ist jedoch noch nicht definiert.

Vor- und Nachteile sowie technische Hürden der unterschiedlichen Lösungsansätze

Vorteil der kupfergebundenen Systeme sind die im automobilen Umfeld bereits definierten Standard-Ethernet-Schnittstellen, die bis zu 25 GBit/s ermöglichen. Grundlage hierfür sind spezielle Leitungen, deren Handhabung in Bezug auf Längen, Biegeradien etc. genau betrachtet werden muss. Bei näherer Betrachtung des Standards für eine Übertragung von 25 GBit/s fällt auf, dass für eine Datenrate über 25 GBit/s die Verwendung von 2 Leitungssträngen notwendig ist, was in Fachkreisen als „Multilaning“ bezeichnet wird. Das internationale Gremium zur Spezifikation der Datenübertragung IEEE hat für die Übertragung von 25 GBit/s im Automobilbereich die Workgroup IEEE 802.3cy gegründet. Dieses Gremium arbeitet mit Unternehmen aus der Industrie an der Spezifikation eines Übertragungskanals. Dabei ist aufgrund der physikalischen Grenzen der kupferbasierten Datenübertragung eine Beschränkung der Leitungslängen notwendig, die auf eine maximal definierte Länge von 11 Metern mit 2 Inlines festgelegt wurde. Dies unterscheidet sich vom Vorgängerstandard IEEE 802.3ch, bei dem der Übertragungskanal mit 15 Metern und 4 Inline-Verbindungen spezifiziert war. Des Weiteren sind Störeinflüsse wie EMV und Erdschleifen zu berücksichtigen und durch geeignete Lösungen zu reduzieren bzw. zu vermeiden.

Demgegenüber steht die optische Datenübertragung über Glasfaser, die für höhere Datenübertragungsraten von mehr als 50 GBit/s über eine Leitung eingesetzt werden kann. Für die optische Datenübertragung hat die IEEE die Arbeitsgruppe IEEE802.3cz gegründet, um die maximale Leitungslänge für den Übertragungskanal festzulegen. Diese wurde mit höchstens 40 m und 4 Inline-Verbindungen definiert. Die optischen Lösungen begleitet noch aus Zeiten der Polymer Optical Fiber (POF) – Technologien ein negatives Image, da vermeintlich das Handling aufgrund der Biegeradien problematisch sein kann. Um heute den hohen Anforderungen der optischen Multi-Gigabit-Übertragung gerecht zu werden, ist daher der Einsatz der Glasfasertechnologie notwendig, da diese sehr kleine Biegeradien ermöglicht und eine hohe mechanische Festigkeit besitzt. Da sich das Übertragungssystem noch in der Entwicklung befindet, sind auch die entsprechenden Stecker und Kabel noch in der Entwicklungsphase, die Ergebnisse sind bisher jedoch sehr vielversprechend.

Was sind die Konsequenzen für das Bordnetz der Zukunft?

Betrachtet man all diese Einflüsse, so wird deutlich, dass sich das Bordnetz der Zukunft verändern muss, da diese großen Mengen an Verbindungen zu den Anwendungen (Sensoren, Displays, Kameras, etc.) nicht wie bisher im Fahrzeug untergebracht werden können. Eine Vielzahl an Arbeitsgruppen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, kamen zum Ergebnis, dass die Anzahl der einzelnen Steuergeräte drastisch reduziert werden muss und im Zuge dessen eine sogenannte Zonenarchitektur Einzug halten wird. Dies wird erheblichen Einfluss auf die Menge, Länge und Leistungsfähigkeit der Leitungen im Bordnetz haben.

Wie bereitet sich MD diese Entwicklungen vor?

MD ELEKTRONIK beschäftigt sich seit vielen Jahren mit innovativen Technologien, um geeignete Steckverbinder und Leitungen für diese neuen Anforderungen zu entwickeln. Dazu werden Kooperationen mit Partnern aus der Chipindustrie ebenso forciert wie eine intensive Zusammenarbeit mit Tier1 Lieferanten, um die Technologien der Zukunft auf deren Anforderungen abzustimmen. Darüber hinaus entwickelt und realisiert MD eigene Fertigungsprozesse und Technologien, um die notwendige Flexibilität, Präzision und die hohen Volumina an den weltweiten Produktionsstandorten sicherstellen zu können.

Zusammenfassung und Fazit: Mit etablierten Technologien bis 25 GBit/s und mit neuen Innovationen darüber hinaus 

Anwendungen für Datenraten über 25 GBit/s sind bereits in der Entwicklung oder stehen kurz vor der Einführung. Im ersten Ansatz werden für diese Anwendungen kupferbasierte Lösungen vorgesehen, da diese bereits weitgehend verfügbar und für den Einsatz bis 25 GBit/s in der Regel geeignet sind. Es ist ratsam, je nach Anwendung genau zu prüfen, ob diese für kritische Anwendungsbereiche wie z.B. EMV-Bereich verwendet werden können. Liegt die Datenrate über 25 GBit/s ist zu prüfen, ob eine alternative Übertragungsart sinnvoll ist.

Eine Alternative stellt beispielsweise die optische Datenübertragung dar, die im kritischen Umfeld im Fahrzeug viele wesentliche Vorteile bietet, deren Technologie aber noch zur Serienreife entwickelt werden muss. MD ELEKTRONIK beschäftigt sich intensiv mit den Technologien der Zukunft, um die passende Lösung anbieten zu können.

Da es oft schwierig ist, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Übertragungssysteme zu erkennen und je nach Anwendung unterschiedliche Technologien in Frage kommen, bieten wir gerne die Möglichkeit einer persönlichen Beratung für Ihre Anwendung.

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Helmut Pritz

Helmut Pritz ist Produktmanager für optische Datenübertragung bei MD Elektronik. Mit seinen mehr als 20 Jahren Branchenerfahrung bringt er sehr viel Expertise mit, um diese zukunftsweisende Technologie voranzutreiben. Seine Berufung ist es mit Kunden, Startups, Steuergeräteherstellern und Lieferanten, innovative Lösungen für die Automobilindustrie zu entwickeln.
Nach seiner Tätigkeit als Projektleiter, bei der er für die Entwicklung von Steckkomponenten und die dazugehörigen Automatisierungsanlagen zuständig war, baute er als Manager Development RF Technology eine Entwicklungsabteilung auf, die sich hauptsächlich mit der Hochfrequenztechnik beschäftigte.
Der vielseitige Kontakt zu Kunden, Lieferanten und dem globalen Team bei MD gehören zu den Tätigkeiten, die er an seiner Position ganz besonders schätzt.

Tobias Hartl

Tobias Hartl ist Teil des Application Engineering Teams im internationalen Vertriebsteam bei MD. Seine Ziele sind bestehende Kunden weiter zu entwickeln und den Engineering Kontakt zu den OEMs bzw. Tier 1 Kunden zu verstärken. Aber auch neue OEMs und Start Ups mit gutem Support zu binden und mit diesen gemeinsam zu wachsen. Mittlerweile arbeitet Tobias seit über vier Jahren bei MD und wird aufgrund seiner Expertise im Umgang mit Kunden und externen Partnern künftig das Technische Produkt Management im Bereich Multi Core Cables verstärken. Vor seiner Zeit bei MD konnte er 6 Jahre lang wertvolle Erfahrung im Bereich Mobile Media Headunits sammeln, die er bei seiner täglichen Arbeit erfolgreich einbringen kann. Besonders motivierend ist für Tobias der Kontakt zu globalen Kunden und die Implementierung neuer Technologien in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team.

Quellen:
1) Matheus, K./Kaindl, M. (2023): Automotive High Speed Communication Technologies. München: Hanser Verlag.