Tech Talk ist eine Interviewreihe, die dich mit einigen inspirierenden Persönlichkeiten innerhalb und außerhalb von MD und der Welt der Technologie, der Innovation und darüber hinaus bekannt macht.
In dieser Folge haben wir Lucas Vieira getroffen. Er ist Application Engineer im MD Büro in Southfield im US-Bundesstaat Michigan. Wir sprechen über deine Arbeit bei MD ELEKTRONIK, über die Rolle und Zukunftsaussichten der Elektromobilität in den USA und Europa und ihren Einfluss auf den Bordnetzbereich.
Lucas, bitte erzähl uns ein wenig über dich. Wie sah dein bisheriger Werdegang aus und was brachte dich zu MD?
Ich bin Application Engineer im MD Büro in Southfield (Michigan), in unmittelbarer Nähe von Detroit, das ja auch als „Motor City“ bekannt ist. Ich bin in Brasilien geboren und aufgewachsen. Meine Berufslaufbahn in der Automobilindustrie begann als Praktikant bei einem Autohersteller der „Großen Drei“ in Detroit. Direkt nach meinem ersten Praktikum fragte man mich, ob ich bei der Tochterfirma des Unternehmens in Deutschland arbeiten wollte. Die Berufserfahrung, die ich dort sammeln konnte, ließ meine Leidenschaft für die Automobilwelt weiter wachsen, und so entschied ich mich, an der University of Michigan einen Master-Abschluss in Produktionstechnik zu machen.
Ich arbeite nun seit über fünf Jahren in der Branche. Im Jahr 2021 kam ich zu MD. Als Application Engineer habe ich eine strategische Aufgabe und fungiere als Bindeglied zwischen unserer deutschen Zentrale, dem mexikanischen Produktionswerk sowie OEMs und Tier-1-Zulieferern in den USA. Ich finde es unglaublich spannend, länderübergreifend zusammenzuarbeiten, um technische Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, die die Grenzen der Automobiltechnik verschieben.
Der Großteil meiner Familie lebt in Brasilien, und ich versuche, sie mindestens einmal im Jahr zu besuchen. In den USA habe ich meine Wahlfamilie und meine Freunde. Dadurch, dass ich in Brasilien in einem spanisch verwurzelten Umfeld aufgewachsen bin, konnte ich Portugiesisch und Spanisch lernen. Englisch kam dann vor nicht allzu langer Zeit hinzu, als ich mich dazu entschied, als Austauschstudent in den USA zu leben.
Die Verschiebungen hin zur Elektromobilität wirken sich auf ein breites Marktumfeld in der internationalen Automobilindustrie aus. Wie hat sich der zunehmende Trend zur Elektromobilität in den USA wirtschaftlich ausgewirkt, insbesondere im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wachstum der Branche?
Die Entwicklung hin zur Elektromobilität hat zu einer signifikanten Transformation auf dem US-Automobilmarkt geführt und sowohl die Schaffung von Arbeitsplätzen als auch eine Neuausrichtung der Branche vorangetrieben. Die Fertigung von Elektrofahrzeugen und die Herstellung von Komponenten wie Batterien und Motoren haben neue Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet. Gleiches gilt für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und für deren Wartung. Beschäftigungschancen ergaben sich außerdem durch vermehrte Investitionen in die Forschung und Entwicklung im Bereich der Batterietechnologie und der Effizienz von Elektrofahrzeugen. Während die traditionellen Autohersteller zunehmend in die Fertigung von Elektrofahrzeugen investieren, entstehen gleichzeitig auch neue Unternehmen, die auf Elektrofahrzeuge und die entsprechenden Technologien spezialisiert sind. Dies treibt Wachstum und Innovationen in diesem sich entwickelnden Markt weiter an.
Worauf achten die Verbraucher in den USA deiner Ansicht nach ganz besonders bei ihrer Entscheidung über den Kauf eines Elektrofahrzeugs? Worin unterscheiden sich diese Entscheidungskriterien von denen europäischer Verbraucher?
Für Verbraucher in den USA sind mehrere Aspekte wichtig, wenn sie den Kauf eines Elektrofahrzeugs erwägen. Hohe Anschaffungskosten sind nach wie vor ein großes Hindernis, da viele Elektromodelle teurer sind als die entsprechenden Modelle mit Verbrennungsmotor. Die begrenzte Verfügbarkeit von Ladesäulen und Bedenken hinsichtlich der Reichweite verstärken die Verunsicherung zusätzlich. Außerdem gibt es eine starke Präferenz für größere Fahrzeuge wie Pick-ups und SUVs zulasten der Kompaktklasse, was sich ebenfalls auf die Kaufentscheidungen auswirkt. Bei den europäischen Verbrauchern stehen andere Kriterien im Mittelpunkt. Hier geht es angesichts der höheren Kraftstoffpreise eher um langfristige Einsparungen, woraus sich ein stärkerer finanzieller Anreiz für den Wechsel zu Elektrofahrzeugen ergibt. Außerdem fallen staatliche Förderungen und Steuervergünstigungen beim Kauf von Elektrofahrzeugen in mehreren europäischen Ländern großzügiger aus.
Inwiefern unterscheidet sich die Politik in Kalifornien und Michigan, und wie haben sich diese Unterschiede in Bezug auf die Akzeptanzraten von Elektrofahrzeugen, die Ladeinfrastruktur und andere Aspekte ausgewirkt?
Kalifornien und Michigan verfolgten hinsichtlich der Förderung der Akzeptanz von Elektrofahrzeugen unterschiedliche Ansätze, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führten. Kalifornien weist die höchste Akzeptanzrate für Elektrofahrzeuge in den USA auf. Grund dafür sind sehr offensive politische Maßnahmen, wie z.B. die Vorgabe, dass ab 2035 Neufahrzeuge nur noch verkauft werden dürfen, wenn sie Co2-frei sind. Außerdem gibt es für den Kauf von Elektrofahrzeugen umfangreiche Steuervergünstigungen. Dieser aggressive Vorstoß brachte einen erheblichen Entwicklungsschub bei der Infrastruktur. Kalifornien übertraf sein Ziel von 10.000 Schnellladesäulen vorzeitig und plant die Aufstellung von weiteren 40.000 öffentlichen Ladesäulen.
Im Gegensatz dazu konzentrierte sich Michigans Strategie mehr darauf, die Fertigung von Elektrofahrzeugen zu fördern und die nötige Infrastruktur aufzubauen. Die Akzeptanzrate von Elektrofahrzeugen liegt in Michigan zwar über dem nationalen Durchschnitt, aber hinter der von Kalifornien. Michigan möchte vor allem den lokalen Anteil der Fahrzeug- und Batteriefertigung erhöhen, um hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und seine seit langem bestehende Automobilindustrie zu erhalten. Der US-Bundesstaat hat außerdem eine Strategie zur Modernisierung der Schulbusflotten und zur Unterstützung von Programmen für die Umstellung von Fahrzeugflotten auf Elektroantrieb implementiert.
Der starke Regulierungsansatz und die Anreize in Kalifornien im Vergleich zum Fokus auf Fertigung und Infrastruktur in Michigan veranschaulichen die unterschiedlichen Strategien, die die US-Bundesstaaten verfolgen, um die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen und den Übergang zur Elektromobilität zu bewerkstelligen.
Wie stellen sich die technologischen Innovationen bei Elektrofahrzeugen in den USA im Vergleich zu denen in der EU dar, und welche Vorhersagen kann man zur Zukunft der Elektromobilität in den in den nächsten zehn Jahren für beide Märkte machen?
Sowohl die USA als auch die EU stehen an der Spitze, was technologische Innovationen bei Elektrofahrzeugen angeht, wobei der Schwerpunkt auf der Batterieentwicklung und der Integration fortschrittlicher Funktionen liegt.
In den USA bestimmen vor allem private Investitionen, welcher Ansatz verfolgt wird, wobei der Fokus eindeutig auf Leistungsverbesserungen und schnellem Wachstum liegt, gestützt durch sinkende Batteriekosten, eine zunehmende Modellvielfalt und erhebliche staatliche Anreize. Die USA fördern darüber hinaus Investitionen in die Infrastruktur, insbesondere in die Erweiterung des Ladenetzes, was für eine breite Akzeptanz von Elektrofahrzeugen unerlässlich ist. Es wird erwartet, dass das Wachstum anhält und mit der Fortentwicklung der Industrie weitere Arbeitsplätze im Bereich der Produktion von Elektrofahrzeugen und damit verbundenen Sektoren entstehen.
Im Gegensatz dazu setzt die Strategie der EU mehr auf die Hebelwirkung öffentlicher Mittel und betont dabei die Aspekte Nachhaltigkeit und Sicherheit. Die europäische Politik fördert offensiv den Übergang zu Elektrofahrzeugen, was sich in einem dichten und effizienten Ladenetz niederschlägt. Allerdings könnte das umfangreiche Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln in vielen europäischen Ländern das Gesamtwachstum des Marktes für Elektrofahrzeuge im Vergleich zu den USA begrenzen. Außerdem bevorzugt die Mehrheit der europäischen Verbraucher kleinere Elektrofahrzeuge, die sich gut für den Stadtverkehr eignen – und oft aus Asien kommen –, was angesichts der kürzeren Fahrtstrecken in Europa auch Sinn macht.
Im Verlauf der nächsten zehn Jahre werden sich die USA voraussichtlich darauf konzentrieren, ihre Ladeinfrastruktur auszubauen und Elektrofahrzeuge durch technologische Weiterentwicklungen leistungsfähiger und erschwinglicher zu machen. Europa wird währenddessen weiter auf Fortschritte bei Nachhaltigkeit und Sicherheit drängen, seine Führungsposition bei Batterieinnovationen konsolidieren und Elektrofahrzeuge in breiter aufgestellte intelligente Ökosysteme integrieren. In beiden Regionen wird es wichtige Entwicklungen geben, aber ihre Ansätze und Marktdynamiken werden entsprechend den regionalen Prioritäten und dem Verbraucherverhalten unterschiedlich sein.
Worin liegt die Besonderheit bei Bordnetzen von Elektrofahrzeugen im Vergleich zu den Bordnetzen von Autos mit Verbrennungsmotor, und welche Lösungen hält die Automobilindustrie für die bevorstehenden Herausforderungen bereit?
Die Herausforderungen und Möglichkeiten bei Bordnetzen von Elektrofahrzeugen sind im Vergleich zu denen der Bordnetze von Autos mit Verbrennungsmotor äußerst speziell. Eine ganz wesentliche Herausforderung stellt die elektromagnetische Störbeeinflussung dar, die die Datenübertragung innerhalb des Fahrzeugs beeinträchtigen kann. Dies ist vor allem dann ein Problem, wenn es um autonomes Fahren geht. Hier sind robuste Abschirmlösungen für Elektrofahrzeuge gefragt, die eine verlässliche Kommunikation zwischen den verschiedenen elektronischen Komponenten sicherstellen. Eine weitere Herausforderung liegt Gewicht der Elektrofahrzeuge. Da die Batterien schwer sind, ist eine Gewichtsreduzierung in anderen Bereichen unerlässlich, beispielsweise bei der Verkabelung. Nur so kann die Gesamteffizienz verbessert werden. Außerdem ist der Bedarf an Kupfer und anderen knappen Rohstoffen für den Herstellungsprozess von Elektrofahrzeugen erheblich höher als dies bei Verbrennern der Fall ist. Hier bedarf es zukünftig innovativer Alternativen. Die Automobilindustrie verfolgt hier mehrere Lösungsansätze. Einer davon ist die Miniaturisierung von Bauteilen wie Steckverbinder und Kabeln, was zu einem geringeren Bedarf an Ressourcen und Platz im Fahrzeug führt. Ein weiterer Ansatz ist der Übergang zu einer zonalen Architektur, die die Komplexität und Länge der Verkabelung reduziert, indem das Fahrzeug in verschiedene Zonen unterteilt wird, die dann jeweils lokalisierte Steuergeräte und kürzere Kabel aufweisen. Dadurch sinken Gewicht und Materialeinsatz.
Was tut MD, um der richtige Partner für die Datenübertragung im Automobil, insbesondere im Elektrofahrzeug, zu sein?
MD hat sich zum Ziel gesetzt, durch die Kombination von innovativen Produktentwicklungen und fortschrittlichen Fertigungsprozessen der weltweit führende Partner für die Datenübertragung im Automobil zu sein. Ein wichtiger Aspekt ist der Einsatz automatisierter Fertigung auf selbst entwickelten Maschinen, die die präzise Herstellung miniaturisierter Komponenten ermöglichen.
Darüber hinaus tragen die innovativen Produktentwicklungen von MD ebenfalls zu einer effizienten Ausnutzung des Bauraums bei, beispielsweise dadurch, dass mehrere Verbindungen in einer einzigen, schlanken Einheit untergebracht werden. Dies ist im Kontext zunehmend komplexerer Fahrzeugarchitekturen von essenzieller Bedeutung. Das gilt ganz besonders für Elektrofahrzeuge, bei denen Platz und Gewicht eine noch größere Rolle spielen.
Außerdem investiert MD in ganz erheblichem Maße in Forschung und Entwicklung. Dabei liegt der Fokus auf Zukunftstechnologien wie zum Beispiel der optischen Datenübertragung. Die optische Datenübertragung bringt für Elektrofahrzeuge mehrere Vorteile, wie die Widerstandsfähigkeit gegenüber elektromagnetischer Störbeeinflussung, keinen Bedarf an Kupfer, geringeres Gewicht und extrem hohe Datenraten.
Lucas, vielen Dank für dieses sehr interessante Gespräch!