Interview mit Christoph Zauner über das „Connected Car“, dessen künftige Rolle beim autonomen Fahren und die Auswirkungen auf die Infrastruktur und das Bordnetz.
Tech Talk ist eine Interviewserie, die Ihnen einige inspirierende Persönlichkeiten innerhalb und außerhalb von MD, aus der Welt der Technik, Innovation und darüber hinaus vorstellt.
In dieser Folge haben wir uns mit Christoph Zauner, Manager im Technischen Product Management bei MD, zusammengesetzt. Wir sprechen über Zukunftsszenarien, die durch Innovationen beim Datenaustausch zwischen dem Fahrzeug und seiner Umgebung möglich werden und was das für die Infrastruktur und die Automobilindustrie bedeutet.
„Die vernetzte Zukunft des Automobils: Auf dem Weg zu Car2Car & V2X.“
Christoph, erzähle bitte ein wenig über Dich. Was reizt dich am meisten an deinem Job?
Christoph: Nach 24 Jahren in der Elektronik-Entwicklung bin ich seit 2020 als Manager Technical Product Management bei MD ELEKTRONIK tätig. Was mich an meinem Job am meisten begeistert? Bei neuen Projekten ganz vorne mit dabei sein zu können, die spannenden und interessanten Kontakte zu unseren Kunden weltweit und die tollen interkulturellen Erfahrungen, die das Arbeiten in einem globalen Umfeld mit sich bringen.
Connected ist ein Megatrend in der Automobilindustrie. Was bedeutet der Begriff „Connected Car“?
Christoph: Connected Car beschreibt die Fähigkeit eines Fahrzeuges, sich mit anderen Fahrzeugen, Services oder Datenservern, den sogenannten Clouds, zu unterhalten.
Dies erfolgt in der Regel via Internetzugriff und stellt somit den nächsten Evolutionshub in der Geschichte des Automobils dar.
Welche Möglichkeiten ergeben sich dadurch?
Christoph: Durch den aktiven Austausch von Daten im Straßenverkehr kann man eine Vielzahl neuer Ansätze realisieren. Dies ist unverzichtbar für das autonome Fahren.
Fahrzeuge kommunizieren aktiv miteinander und nutzen so beispielsweise die Sensordaten des vorausfahrenden Autos mit.
Dadurch erkennt das nachfolgende Auto z.B., dass das vor ihm fahrende Fahrzeug eine Notbremsung machen muss und reagiert darauf defacto in Echtzeit. Diese Information wird aber auch direkt mit allen anderen nachfolgenden Fahrzeugen geteilt. Stellt man sich dieses Szenario hinter einer Kurve oder Bergkuppe vor, wo kein Sichtkontakt zum vorderen, in der Kurve stehenden Fahrzeug besteht, bremst der Wagen trotzdem rechtzeitig und verhindert so einen Auffahrunfall.
Eine weitere Möglichkeit ist die Optimierung des Verkehrsflusses in Städten durch aktive Ampelsteuerung, da man die Positionen und Geschwindigkeiten der einzelnen Fahrzeuge kennt und darauf reagieren kann. Dies hat natürlich direkt auch positive Auswirkung auf den Verbrauch der Autos.
Ebenso können Systemupdates und -erweiterungen (neue Apps) quasi „over the Air“ geladen werden. Somit ist kein Besuch in einer Werkstatt mehr notwendig, um diesen Service nutzen zu können.
Spinnt man das Ganze etwas weiter, so könnten sich komplett neue Geschäftsfelder und innovative Ansätze durch die Datenerhebung der Fahrzeuge eröffnen. Von der Anzeige und anschließender Routenführung zu freien Parkplätzen beziehungsweise deren Reservierung, bis hin zur Schlaglocherkennung inklusive der selbständigen Meldung beim zuständigen Bauhof. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
Welche Konsequenzen hat dies auf die Infrastruktur?
Christoph: Um eine solche Car2Car oder V2X Infrastruktur zu ermöglichen, sind noch viele Schritte nötig.
Die Datenmengen und die Geschwindigkeit, mit der diese Daten gesendet und empfangen werden müssen, wird extrem hoch sein.
Aktuell wird am flächendeckenden Ausbau des 5G Mobilfunknetzes gearbeitet, was Grundvoraussetzung zur Übertragung der hohen Datenraten von mehr als 1 Gbit/s ist.
Des Weiteren braucht es vernetzte Ampel- und Verkehrsleitsysteme, um die gewünschten Optimierungen des Verkehrsflusses zu realisieren.
Nicht zuletzt müssen natürlich auch noch sehr mächtige und performante Cloudserver vorhanden sein, damit die große Flut an Daten ausgewertet und übertragen werden kann.
Wie verändern sich hierdurch die Anforderungen an Fahrzeuge?
Christoph: Um mit der Außenwelt kommunizieren zu können, muss ein Fahrzeug quasi zum Smartphone werden. So finden 5G, Internet und WLAN Einzug ins Auto.
Funktionen wie die Installation neuer Apps und System Updates werden zum neuen Standard.
Das Thema Cyber Security gewinnt im Fahrzeug plötzlich massiv an Bedeutung. Keiner möchte in einem Fahrzeug sitzen, indem vielleicht plötzlich die Bremsen nicht mehr funktionieren, weil es gehackt wurde.
Die Vielzahl der Sensoren und Kameras, die dadurch entstehenden Datenmengen und daraus resultierenden Aktionen müssen auf sehr leistungsfähigen Rechnern im Auto in Echtzeit abgearbeitet werden.
All das erfordert neue Bordnetz-Architekturen und einen sehr hohen Softwareaufwand im Fahrzeug. Der Begriff „Software-Defined-Vehicle“ wird hierfür gerne in den Mund genommen. Funktionen, die früher in Hardware realisiert wurden, werden nun über die Software abgebildet.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Bordnetz?
Christoph: Zonenarchitektur ist hier das Stichwort. Das bedeutet, dass Funktionen (Sensoren, Aktoren) einer physikalischen Region im Auto (z. B. linke vordere Ecke) zusammengefasst werden und alle Signale über eine zonale Schnittstelle (Gateway) an die zentrale Datenautobahn im Fahrzeug (Backbone) weitergeleitet werden. Alle Daten laufen dann letztlich beim Hauptrechner oder bei mehreren Hauptrechnern zusammen, weshalb diese über sehr hohe Rechenleistungen verfügen müssen.
Durch diese neue Architektur verringern sich die Leitungslängen im Fahrzeug drastisch, wodurch Gewicht und Verdrahtungsaufwand bei der Fertigung eingespart werden kann.
Jedoch muss das Backbone in der Lage sein, Übertragungsraten von bis zu 25 Gbit/s fehlerfrei zu übertragen. Bei kupferbasierten Leitungen stößt man hier langsam an die Grenzen der Physik. Aus diesem Grund wird der optischen Datenübertragung immer mehr Bedeutung beigemessen, da hier Übertragungsraten von 100 Gbit/s realisiert werden können.
Hinzu kommt, dass ein Lichtwellenleiter unempfindlich gegen elektromagnetische Störungen und auch noch leichter als Kupfer ist.
Wo stehen wir aktuell beim Thema Connectivity?
Christoph: Im kleinen Rahmen kann man bereits jetzt bei der Nutzung von beispielsweise Google Maps Funktionen wie Unfall- oder Stauwarnungen erkennen.
Auch eine Umleitung auf schnellere Routen funktioniert bereits Cloud-basiert sehr gut. Jedoch dient als Medium aktuell meist noch das Smartphone und nicht das Fahrzeug.
Bis jedoch die nötige Infrastruktur für den vollen Funktionsumfang verfügbar sein wird, dürfte noch einige Zeit vergehen. Vor 2030 ist eher nicht damit zu rechnen, da es aktuell immer wieder zu Verzögerungen beim Ausbau des 5G Netzes kommt.
Was tut MD, um für die zukünftigen Herausforderungen gewappnet zu sein?
Christoph: MD ist Dank des umfangreichen Produktportfolios im Bereich qualitativer Datenleitung und der jahrelangen Erfahrung, sowie den hochautomatisierten Konfektionsanalagen bereits jetzt sehr gut aufgestellt. Natürlich beschäftigt man sich eingehend mit den Anforderungen der Zukunft, um weiterhin der richtige Partner für OEMs und Tier1s zu bleiben.
Dem Thema der optischen Datenübertragung wird aktuell ein sehr hoher Stellenwert beigemessen.
Vielen Dank für das super interessante Gespräch, Christoph