Autonomes Fahren

Was ist autonomes Fahren?

Mit dem Begriff „autonomes Fahren“ verbindet man Fahrzeuge, die sich ohne einen Fahrzeuglenker oder einer Fernsteuerung eines Bedieners selbständig fortbewegen. Hierzu gehören auch selbständig fahrende Transportsysteme und Roboter. Das bedeutet, dass diese Fahrzeuge mit Sensoren, Aktuatoren und Steuerungssystemen ausgestattet sind, die es ermöglichen, das Fahrzeug autark zu bewegen. Autonomes Fahren gehört neben der Elektrifizierung, der Konnektivität und den Car-Sharing Diensten zu den Megatrends in der Automobilindustrie.

Weshalb autonomes Fahren?

Die Gründe für die Einführung von autonom fahrenden Fahrzeugen sind vielfältig. An erster Stelle steht dabei die Steigerung der Verkehrssicherheit, v.a. weil die Verkehrsdichte steigt und der demographischen Wandel die Ermöglichung altersgerechter Mobilität notwendig macht (zur Minimierung der Unfallrisiken verschiedener Altersgruppen lt. Publikation der Technologie Stiftung Berlin). Daneben könnten selbstfahrende Fahrzeuge effizienter fahren und sparen damit CO2 ein. Schließlich kommt Autonomem Fahren starke Bedeutung bei der Automatisierung in der Logistik zu, wie z.B. in Form von selbstfahrenden Logistikfahrzeugen innerhalb von Produktionsstätten oder beim „Platooning“ (siehe auch unten).

Welche Stufen wurden zum Erreichen des automatisierten Fahrens festgelegt?

Um die unterschiedlichen Stufen eindeutig unterscheiden zu können wurden folgende Definitionen getroffen:

  • Level 0: Fahrer zu 100% aktiv (lenkt, beschleunigt, bremst, etc.), keine Automation.

  • Level 1: Fahrzeug bietet einen assistierten Modus, bei dem unterstützende Systeme wie z. B. Tempomat, ABS, ESP automatisch eingreifen.

  • Level 2: Fahrzeug bietet einen assistierten Modus, der bereits Teilaufgaben übernimmt ohne dass der Fahrer eingreifen muss. Hierzu gehören z. B. der Einparkassistent, Spurhalteassistent und Stauassistent.

  • Level 3: Fahrzeug bietet den automatisierten Modus, bei dem der Fahrer nicht dauerhaft die Kontrolle übernimmt, sondern nach einer bestimmten Vorwarnzeit die Kontrolle des Fahrzeugs übernehmen muss. Das Fahrzeug ist in der Lage die notwendigen Funktionen (Spurwechsel, Blinken, Bremsen) selbst zu übernehmen.

  • Level 4: Fahrzeug bietet den hochautomatisierten Modus, bei dem das Fahrzeug die dauerhafte Führung übernehmen kann. Ist das System nicht mehr in der Lage die Aufgaben zu bewältigen kann die Führung an den Fahrer zurückgegeben werden.

  • Level 5: Fahrzeug bietet den vollautomatischen Modus. Ein Fahrer ist nicht vorgesehen.

Wann begann die Geschichte des autonomen Fahrens?

Schon lange bevor der Begriff „autonomes Fahren“ thematisiert wurde, hat sich die Automobilindustrie mit ersten Technologien in dieser Richtung befasst. Bereits Ende der 1950iger Jahre hat Chrysler die Anwendung „Cruise Control“ entwickelt, die die Fahrzeuggeschwindigkeit unabhängig vom wirklichen Verkehrsfluss konstant hält. Dies war der Startschuss für weitere Entwicklungsschritte bis hin zu autonom fahrenden Fahrzeugen auf einem Testgelände in den 1960iger Jahren, mit dem Ziel reproduzierbare Bedingungen für Reifentests zu haben. Neuentwicklungen aus den 1990iger Jahren wie beispielsweise Radar oder LiDAR haben wesentlich dazu beigetragen, dass das autonome Fahren im Straßenverkehr möglich wird.

Welche Sonderform des autonomen Fahrens gibt es?

Unter dem Begriff „Platooning“ setzen auch Nutzfahrzeughersteller die Systeme des autonomen Fahrens ein. Hierbei werden mehrere Lkws über eine sogenannte „elektronische Deichsel“ gekoppelt. Dies funktioniert über die Steuerung des ersten Lkw, der von einem Fahrer bzw. teilautonom gesteuert wird. Weitere Lkws folgen dem ersten Fahrzeug synchron und in definiertem Abstand.

Was benötigt ein Fahrzeug für autonomes Fahren?

Um ein Fahrzeug autonom fahren zu lassen ist es notwendig, dass an einem leistungsfähigen Steuergerät eine Vielzahl von Sensoren (Radar, LiDAR, Kamera, Ultraschall) angeschlossen sind. Diese analysieren die Umgebung so, dass alle Objekte, Fahrzeuge, Personen, etc. wahrgenommen werden. Wichtig ist hierbei, dass deren Richtung, Geschwindigkeit, Größe, Abstand, etc. erkannt bzw. gemessen wird. Zusätzlich müssen die Sensoren Verkehrsschilder, Ampeln, etc. erfassen, damit die aktuellen Verkehrsvorgaben verarbeitet und erfüllt werden können. Damit im Steuergerät ein gesamtes Abbild der Lage entstehen kann, ist es notwendig, dass alle Daten dieser Sensoren gesamtheitlich erfasst werden können.

Die so erhaltenen Daten werden im Anschluss mit einem aufwendigen Algorithmus zu einem Gesamtbild verarbeitet. Aus dieser Verarbeitung werden Entscheidungen getroffen, die es erforderlich machen, dass das Steuergerät auf alle notwendigen Aktuatoren (Bremse, Lenkung, Beschleunigung) wie auch alle Assistenten zugreifen kann, um das Fahrzeug auch bei kritischen Fahrsituationen sicher zu bewegen. Um zusätzliche entscheidende Informationen von außerhalb des Fahrzeuges (z. B. Leitsysteme, Cloud oder anderen Fahrzeugen) zu erhalten, sind autonome Fahrzeuge mit der sog. Car-to-X Technologie ausgestattet. Hierbei werden Informationen wie z. B. Fahrbahnbeschaffenheit, Unfallwarnungen, Fußgänger an einer Ampel, etc. an das Fahrzeug übermittelt, um frühzeitig auf Gefahren reagieren zu können. Im Falle von Systemausfällen sind im Fahrzeug Redundanzen vorgesehen, die in einem Notlauf-Modus das Fahrzeug sicher zum Stehen bringen.

Ein Beispiel:

2022 hat Mercedes als erster Autohersteller weltweit die Genehmigung erhalten, Fahrzeuge in Deutschland zu verkaufen, die autonom nach Level 3, mit maximal 60 km/h fahren dürfen. Es sind hierfür 12 Ultraschallsensoren, 4 Kameras, 1 Stereokamera, 6 Radarsensoren, 1 LiDAR-Sensor, sowie eine hochempfindliche GPS-Antenne im Einsatz. Die erfassten Sensordaten werden in einem Steuergerät mit gigantischer Rechenleistung (vergleichbar mit ca. 15 Notebooks) verarbeitet

Welche Auswirkungen hat autonomes Fahren auf das Fahrzeugdesign?

Um ein Fahrzeug bei Level 4 zu betreiben, benötigt das Auto nur noch zeitweise und auf Anforderung die Aufmerksamkeit des Fahrers. Ein autonomes Fahrzeug Level 5 benötigt keinen Fahrer mehr, sondern hat nur noch Passagiere. Die derzeit verfügbaren Studien zeigen, dass dies erhebliche Auswirkungen auf das Fahrzeugdesign und das Interieur haben wird.

Beispielsweise wird sich bei einem Level 4 Fahrzeug das Lenkrad in die Instrumententafel wegklappen lassen. Fahrzeuge im Level 5 („echte“ autonome Fahrzeuge) werden überhaupt kein Lenkrad besitzen. Das Interieur wurde von verschiedenen Herstellern so konzipiert, dass sich z. B. ein Sofa in U-Form oder auch für Langstreckenfahrzeuge ein Bett im Fahrzeug findet. Bei manchen Konzepten lässt sich der Fahrersitz zum mobilen Arbeitsplatz umrüsten, oder alle Passagiere sitzen einander zugewandt.

Wie sieht es mit dem Thema Rechtssicherheit beim autonomen Fahren aus?

Ein wichtiger Schritt in Richtung Rechtssicherheit war die Änderung des EU-weit anerkannten „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“ von 1968, das den Grundgedanken festlegte, dass jedes im Straßenverkehr bewegte Fahrzeug einen Fahrzeugführer haben muss. Dieses Abkommen wurde 2016 dahingehend geändert, dass erstmals Fahrzeugsysteme erlaubt wurden, die einen Einfluss (Systeme zur Unterstützung des Fahrers, Fahrerassistenzsysteme oder automatisierte Fahrfunktionen) auf das Führen des Fahrzeuges haben.

Es ist weltweit schwierig eine vollständige Zulassung zu bekommen, da die rechtlichen Rahmenbedingungen komplex sind. Ein Beispiel dafür ist die Tatsache, dass es keinen Fahrer gibt und sich die Frage stellt, wer bei Unfällen haftet. Aktuell kann bei einem autonomen Fahrzeug weder Halter noch Hersteller dafür haftbar gemacht werden.

Eine zentrale, ethische Frage wird intensiv diskutiert. Wie entscheidet ein autonomes Fahrzeug (algorithmisch gesteuert), wenn sich folgende Situation ergibt: Ein Passant geht auf die Fahrbahn, eine Gruppe Fußgänger geht am Rand der Gegenfahrbahn und ein Fahrzeug kommt entgegen. Weicht das Auto aus und fährt in den Gegenverkehr oder wird ein Zusammenstoß mit dem Passanten in Kauf genommen, um eine Kollision mit der Gruppe von Fußgängern zu vermeiden?

Was ist der aktuelle Entwicklungsstand beim autonomen Fahren?

Immer mehr namhafte Automobilhersteller bieten Mittel- und Oberklassemodelle mit Assistenzsystemen bis Level 3 an. Es wird intensiv an Fahrzeugen für Level 4 und 5 gearbeitet. Verschiedene OEMs haben – teilweise schon vor mehreren Jahren – entsprechende Prototypen vorgestellt.

Hier einige Beispiele von namhaften OEM:

  • Tesla hat sein System „Autopilot“ auf den Markt gebracht. Der sog. „FSD“ (Full Self Driving) läuft auf Level 2 mit dem die Fahrzeuge eigenständig Ziele aus dem Navigationssystem ansteuern können.
  • Mercedes hat einen fahrfähigen autonomen Prototyp mit innovativer Innenraumgestaltung auf der Mobility Show 2021 vorgestellt. Wie schon beschrieben fährt die S-Klasse seit 2022 automatisiert bis 60km/h.
  • VW hat ein autonomes Rennfahrzeug (ID Pikes Peak) entwickelt und will mit der Konzeptstudie Sedric den Markt für autonome Kompaktfahrzeuge erobern.
  • Volvo testet auf dem Autobahnring um Göteborg mit 100 automatisierten XC90 Fahrzeugen..
  • GM hat mit seiner Tochter „Cruise“ 2021 ein Level-5-Fahrzeug ohne Sicherheitsfahrer durch San Francisco fahren lassen.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz?

Derzeitig eingesetzte Systeme zeigen bereits, dass ein wesentlicher Teil der Anforderungen erfüllt wird, wenn die Umweltbedingungen für das Fahrzeug günstig sind. Wenn es zu schwierigen Bedingungen (wie Schneefall, fehlende Fahrbahnmarkierung, unklare Verkehrssituationen) kommt, können diese mit den jetzigen Systemen nicht hinreichend sicher bewältigt werden. Hierzu wird zukünftig KI (künstliche Intelligenz) zum Einsatz kommen. Einige Hersteller verwenden KI in Verbindung mit neuronalen Netzen und werten die aus Versuchsfahrzeugen gesammelten Daten unter Zuhilfenahme von „Deep Learning“ Algorithmen aus. Diese Maßnahme erhöht die Sicherheit, schwierige Entscheidungen richtig zu treffen (z. B. Unterscheiden von Personen und Objekten).

Wie wird sich der Markt für autonomes Fahren entwickeln?

Glaubt man den Prognosen der renommierten Unternehmen (Statista 06.02.2020), wird der Anteil der autonomen Fahrzeuge 2030 bereits 10% betragen. Bis zum Jahr 2040 wird (lt. Bain) erwartet, dass der Anteil der autonomen Fahrzeuge bis auf 40% Marktanteil steigt. Somit kann man davon ausgehen, dass diese Technologie in rund 10 Jahren in den Massenmarkt eintreten wird.

Helmut Pritz

Helmut Pritz ist Produktmanager für optische Datenübertragung bei MD Elektronik. Mit seinen mehr als 20 Jahren Branchenerfahrung bringt er sehr viel Expertise mit, um diese zukunftsweisende Technologie voranzutreiben. Seine Berufung ist es mit Kunden, Startups, Steuergeräteherstellern und Lieferanten, innovative Lösungen für die Automobilindustrie zu entwickeln.
Nach seiner Tätigkeit als Projektleiter, bei der er für die Entwicklung von Steckkomponenten und die dazugehörigen Automatisierungsanlagen zuständig war, baute er als Manager Development RF Technology eine Entwicklungsabteilung auf, die sich hauptsächlich mit der Hochfrequenztechnik beschäftigte.
Der vielseitige Kontakt zu Kunden, Lieferanten und dem globalen Team bei MD gehören zu den Tätigkeiten, die er an seiner Position ganz besonders schätzt.